July 13, 2024
Es ist schon ein paar Jahre her - fast 10 Jahre, da war ich auf einer Abendveranstaltung zum Thema "Design Thinking". Damals war das alles noch neu für mich, die damit einhergehenden Formate und Methoden. Das kreative Prozesse gesteuert werden können. Das es mehr Methoden gibt Ideen zu generieren als ein einfaches Brainstorming. Kreativ sein und das ins Arbeiten einbringen, war DIE Kombination für mich. Als ich dann auf Design Thinking stieß, war es wie eine Offenbarung und eine neue Welt für mich.
An diesem Abend durchliefen wir im Schnellgang einen Design Thinking Prozess, um es zumindest ansatzweise zu erfassen, wie es funktioniert. Am Ende sagte die Referierende: "Design Thinking ist mehr als eine Methode - es ist eine Haltung!". Damals erschien mir das total logisch! Klar ist das eine Haltung! Zum ersten mal begegnete mir eine Methode mit der es möglich war verschiedene Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen und mit den unterschiedlichsten Hintergründen gemeinsam ins Arbeiten zu bringen und schnell Ergebnisse zu erzielen.
Seit dem, begegnete mir dies immer wieder: LEGO® SERIOUS PLAY® ist mehr als eine Methode. Es ist eine Haltung. Theorie U ist mehr als eine Methode. Es ist eine Haltung (hierzu gibt es übrigens einen schönen Artikel von Stefan Kühl dazu). Viele Methoden nehmen für sich in Anspruch mehr zu sein als ein Methodenset. Eine bestimmte Haltung ist erforderlich - ohne die geht es nicht. Oder zumindest werden wir damit die Welt retten möglicherweise. Seit längerem frage ich mich: really? Meint ihr das ernst?
Was bedeutet Haltung haben in Bezug auf ein Methoden-Set. Auf eine Struktur. Auf ein gekauftes Zertifikat? Ist Haltung käuflich? Habe ich am Ende verstanden, welche Machtstruktur dahinter steckt? Welcher Bias dahinter versteckt ist? Manche Methode beruft sich auf wissenschafltiche Erkenntnisse und manchmal werden random Studien zitiert. Aber die einzige Frage die wir uns stellen müssen: Kann ich Menschen oder Organisationen damit schaden?
Ich komme gerade aus einem 3-tägigen Aufenthalt in Bad Boll zurück. Dort habe ich 3 Tage lang mit anderen zum Thema "Art of Hosting" gearbeitet, gelacht und gedacht. Das erste Mal von Art of Hosting hörte ich bei meinen Netzwerk-Partner:innen von nowwork. AoH als Basis, als großer Baustein der Arbeitweise von nowwork. Also las ich darüber, kaufte mir ein Buch und stieg ein in diese Welt.
Beim ersten lesen und beim ersten Versuch zu verstehen was das ist, fühlte es sich an, als ob es eine wärmende Decke und eine guter Boden für all die Methoden sein könnte, die ich mir die letzten Jahr so angeschaut habe und mir erarbeitet habe. Art of Hosting. Die Kunst ein guter Gastgeber, eine gute Gastgeberin zu sein.
Art of Hosting war schon beim ersten reinschnuppern vertraut und fühlte sich gleich gut an. Ein Pfad dem ich folgen wollte.
Nach den zurückliegenden Tagen in Bad Boll habe ich das Gefühl, ein kleines Stückchen weitergekommen zu sein. Habe jetzt ein weiteres Verständnis aufgebaut um was es geht. Jetzt geht es darum, dieses Verständnis jeden Tag auf's neue zu leben, zum Leben zu erwecken. Altes muss abgelegt werden, meine Rolle muss ich überdenken. Ein paar meiner Rollen, die ich so inne habe. Für mich ist es ein großes Geschenk und ich bin voller Dankbarkeit und Wärme und freue mich auf was ich nun noch alles entdecken darf.
Ich habe Klarheit bekommen. Für mich und meinen Blick auf die anderen Methoden die ich nutze. Es sind Methoden, Methoden-Sets oder Strukturen. Zu mehr werden sie erst dann, wenn die Ausübenden bereit sind wirklich, wirklich herauszufinden wie die Menschen denken und fühlen und ihnen hier einen Raum aufmacht. Kooperativ denken und handeln. Bestimmtes muss auch gewollt sein gehört zu werden.
LEGO® SERIOUS PLAY® ist eine Methode.
Design Thinking ist eine Methode.
Theorie U ist eine Management Methode.
Liberatings Structures sind eben das - befreiende Strukturen.
Storytelling ist die Überschrift für vieles.
Art of Hosting ist eine Haltung.
Du hast die Möglichkeit, dein bisher gelerntes Know-how und deine Erfahrung einzubetten. In eine warme-wohlwollende menschliche Umgebung. In AoH können Methoden eingebettet werden, die den Raum halten, die helfen und unterstützend darauf einwirken eine Veranstaltung zu gestalten, die Stakeholder in ihren Anliegen zu tragen um auf gemeinsamen Lösungen hinzuarbeiten. Sie sind aber nur Helferlein, die zur Seite stehen. Sie spielen niemals die Hauptrolle und schon gar nicht die Person, die diese facilitiert. Das ist der wesentliche Unterschied.
Du merkst den Unterschied zwischen Menschen die AoH leben. Verlässt du den Kreis, wird es manchmal kalt. Das bedeutet nicht, dass es spannungsfrei und ohne Reibungen abläuft. Es wird aber nie jemand dabei verletzt. Das ist der Unterschied.
Wen ihr mich nun fragt, was ist das, wie funktioniert das mit diesem "Art of Hosting"? Dann kann ich jetzt zurückgeben, das Art of Hosting für mich Arbeit an der eigenen Haltung ist. An meiner Haltung Themen, Menschen und Dingen gegenüber und wie ich hier als Gastgeberin einen Raum öffnen, halten und auch wieder schließen kann, einen Raum in dem sich jede*r gehört und gesehen fühlt, in dem verschiedene Sichtweisen und Widersprüche ausgehalten werden, in dem gesagtes nicht bewertet wird, in dem mit sinnvollen und Menschen zugewandten Strukturen und Methoden Lösungsräume ermöglicht werden. Du kannst damit beginnen es zu leben, lernst aber nie aus.
Einen Raum zu schaffen, In dem Menschen zugetraut wird, dass sie kooperieren möchten, weil es ein menschliches Grundbedürfnis ist. Und wenn es nur darum geht einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden um einen nächsten eleganten ersten Schritt machen zu können (Danke Robert). Es geht um Beteiligungskonzepte. Mitzumachen. Mitzureden. Mitzugestalten. Mitzuentscheiden. Zuzuhören, zugewandt sein, zusammen arbeiten wollen.
Auch bei Art of Hosting gibt es eine Art Frameset, das dich durch den Prozess führt, die 8 Atemzüge des AoH Prozessdesigns. Jedoch ist es nie Mittel zum Zweck und du gestalten es dennoch innerhalb der 8 Atemzüge so aus, wie du es für diesen Auftrag deiner Auftraggeber:innen benötigst. Dieses Prozessdesign findest du auch auf der Website des AoH und kannst es dir dort runterladen. AoH steht unter Creative Commons und Materialien können entsprechend der dort festgeschriebenen Bedingungen genutzt werden.
Eine schöne Zusammenfassung, was es für dich persönlich bedeutet, gibt es in dem Taschenführer des AoH Vorarlberg, dem dort aufgezeigten 4-fach Pfad:
Host yourself - Sei dir selbst ein guter Gastgeber, eine gute Gastgeberin
Be hosted - suche dir immer wieder bewußt Orte an denen du Gast sein darfst und von anderen lernen kannst
Host others - nimm in dem wie du Prozesse begleitest die Rolle einer guten Gastgeberin ein
Build community of practice - Bilde und begleite ein Feld von Anwendungen, Übungen und Weiterentwickeln, eine Gemeinschaft von Lernenden
Es gibt so viele Themenfelder die an AoH mit dranhängen. Weitere Methoden wie Dynamic Facilitation (bin ich dran), Dialoge (am Bohmschen Dialog bin ich dran), Storytelling & Narrative Organisationsentwicklung (bin ich sowieso dran), Moderation, Körpersprache, Zuhören, Mediation, systemisches Konsensieren (bin ich dran), Entscheiden - es ist unendlich fortsetzbar. Am Ende bleibt es dir überlassen, in welche Rolle du gehst, welchen Mix du für dich gestaltest und wie du eine gute Gastgeberin wirst.
Ich bin angefixt.
Danke an alle, die mich hier auf den Weg gebracht haben und an die, die nun mit mir weiter lernen werden.
Eure Gabriele
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Hier die wichtigsten Links:
Evangelische Akademie Bad Boll