Jetzt sind wir schon wieder 4 Wochen oder mehr aus Japan zurück und wenn ich gefragt werde, was mir dort am besten gefallen hat, verfalle ich mit leicht verklärtem Gesicht in eine Schwärmerei. Ich fange an vom Anpanman zu erzählen und ich sehe die Irritation in den Gesichtern, lese den Gedanken „Häh? Really?“. Aber ja, wenn ich an Japan denke und was mir dort am besten gefallen hat, fällt mir zu allererst die Geschichte vom Anpanman ein. Besser vom Anpanman-Zug.
Von Kyoto aus ging es mit dem Skinkansen nach Okayama: im Bahnhof von Kyoto stand der Zug schon 15 Minuten vor Abfahrt bereit und der Zug wurde für die Fahrt vorbereitet. Der Boden wurde durchgewischt, jedes noch so kleine Fitzelchen Müll entfernt, alle Stühle gedreht, damit auch wirklich alle Fahrgäste den Komfort genießen können in Fahrtrichtung zu sitzen. Pünktlich los, pünktlich in Okayama. Niemand telefoniert laut im Abteil, niemand ißt irgendwas stark riechendes, niemand unterhält sich laut über die Familie oder Firmeninternas. Ein erstes Glücksgefühl. So schön war’s schon lang nicht mehr. Deutsche Bahn Kund:innen wissen wovon ich spreche.
Auf nach Okayama, um mit einem Zug auf die Insel Shikoku zu fahren, ganz so wie es der Traum vom Offline Mann war: mit dem Zug 16 km über das Meer, mehr als 7 Brücken sollten es insgesamt sein, bei wunderbarer Aussicht und vielversprechender Landschaft.
Dort am Bahnsteig in Okayama suchten wir unseren Zug nach Kochi, eine Hauptstadt ganz im Süden der Insel Shikoku gelegen, eine Hafenstadt direkt am Pazifik, Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur. Auf unsere Frage hin sagte der Bahnmitarbeiter am Bahnsteig: You have to take the yellow ones. The yellow ones: The Anpanman-Train.
Knallgelb, auf den Seiten grinst der Anpanman uns an. Und während uns also so ziemlich an jedem Bahnsteig Kinder zuwinkten und wir fröhlich zurückwinkten, fuhren wir so mit dem Anpanman-Train und der musikalischen Begleitung durch das Anpanman-Theme Richtung Kochi.
Kochi, Hafenstadt, Industriestadt, amerikanische Prachststraßen, die obligatorische japanische überdachte Mall im Stadtzentrum. Japaner:innen sprechen uns an, wir sind fast die einzigen Touristen dort. Warum seid ihr nach Kochi gekommen?
Der Anpanman ißt seinen eigenen Kopf auf und der Bäcker backt ihm dann einen neuen Kopf. Japanische Kinder wissen wovon ich spreche
Ach Quatsch, der Anpanman ißt nicht seinen eigenen Kopf auf. Aber seine Widersacher tun das manchmal. Und dann bekommt er von seinem Freund dem Bäcker einen neuen Kopf gebacken. Ich kannte weder den Anpanman (wobei ich die Figur NATÜRLICH schon gesehen hatte, einmal Anpanman gesehen immer Anpanman überall und zwar wirklich ÜBERALL) noch hatte ich damit gerechnet in diesem Zug zu fahren. Anpan sind kleine Brötchen mit roter Bohnenpaste gefüllt und es gibt sogar einen Baumkuchen-San Charakter. Den Japaner:innen lieben Baumkuchen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Es sollte später ein Witz werden für alle die uns fragten: Was sucht ihr ausgerechnet in Kochi????? I really wanted to travel with the anpanman train … haha. Zwei knallgelbe Zugabteile mit den Gesichtern aller Figuren aus dem Anpanman Comic, natürlich Anpanman Musik (link siehe unten). Natürlich.
Kochi, auch das erfuhren wir erst später, ist nämlich der Geburtsort und Wohnort gewesen von Yanase Takashi, Zeichner und Creator der Anpanman-Serie. Es gibt sogar ein Museum dort, dass wir leider nicht besuchten.
Cut. Von Kochi über Uwajima nach Yawatahama zur Fähre, die uns dann nach Beppu bringen sollte. Auch hier kleine Juwele an sonderbaren Zügen, alles Diesel-Loks wegen der Berge und so, aber liebevoll gepflegt pfeifen sie die Berge hoch und sausen durch die jungelähnliche Landschaften, bis dann wieder Reisfelder kommen und dunkle Tunnels, die den Berg hinaufführen und auf der anderen Seite wieder hinunter. Hin und wieder weichen sie - da einspurig – einem entgegenkommenden Zug aus. Bambus und andere Pflanzen, die zu nah an die Gleise gewachsen sind, geben peitschenhafte Laute, während die Diesel-Lok aus den 50/60/70/80ern ihr Bestes gibt.
Einer der Züge, ein Museums-Zug. An den Wänden der Abteile kleine Glaskästen und dahinter Modell-Eisenbahnen, vom Shinkansen bis hin zu einzelnen Sonderzügen. Alle Gerätschaften und Teile im Zug auf Hochglanz poliert. Der Fahrkartenautomat spuckt kleine Zettelchen mit Zahlen aus. Diese entscheiden am Aussteigebahnhof darüber, wieviel du als Fahrgast bezahlst.
Im neugebauten Fähr-Zentrum in Yawatahama stehen ein Kinderstuhl mit 3 Beinen und eine Türe. Mika erzählt mir von „Suzume“, aber verstehen tu ich es erst, als ich auf dem Rückflug den dazu passenden Anime anschaue.
Wir sind langsam gereist in Japan. Die Zugverbindungen gaben uns den Rhythmus und die Reisezeiten vor. Jeder einzelne Zug und Bus war pünktlich. Das hat so gut getan, darauf vertrauen zu können anzukommen, auch wenn die Umsteigezeiten manchmal knapp waren. Sollte ich nochmal nach Japan reisen, dann möchte ich es genauso wieder machen.
https://wanderweib-kocht.de/anpan/ <- Beste Japan Website ever übrigens!
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