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AutorenbildGabriele Schobess

Puh denke ich und weiß genau: das wäre nicht machbar!

Aktualisiert: vor 7 Tagen

Heute wird es emotional. Wenn ich hier über „Humanize the system“ schreiben möchte, muss ich vielleicht auch mal den Pfad verlassen und somit handelt dieser Beitrag auch nicht von Methoden oder Tools. Heute beschreibe ich einen Moment. Einen Menschen-Moment im Leben, von dem ich weiß, dass unser System dafür nicht aufgestellt ist, von dem ich weiß, dass wir noch Korrekturschlaufen brauchen. Viele. Ein Moment, von dem jeder weiß das er kommt, hoffend das er sehr in der Ferne liegt. Heute geht es hier um Care-Arbeit, genauer um Eltern-Care-Arbeit. Und damit auch eine Trigger-Warnung: hier geht es heute ums Altern. Und um Krankheit und Pflege. Ich verstehe jede*n, der dieses Thema erst einmal aufschiebt, bis es soweit ist. Lest dann einfach nicht weiter. Nächstes mal schreibe ich dann wieder über eine Methode. Versprochen.


Es ist Donnerstag. Ich sitze im ICE zwischen Stuttgart und Mannheim, mein Telefon klingelt: „Hier spricht Herr Dr. XY. Ich soll Sie anrufen wegen Ihrer …. ckrxhrchrchr …. . Passt es gerade …chrkrx… bei Ihnen?“. „Danke das Sie mich anrufen, aber das ist jetzt ungünstig, ich sitze im ICE und die Verbindung ist erfahrungsgemäß nicht so toll, aber probieren wir es“. Ich hatte 4 Tage um dieses Gespräch, diesen einen Rückruf gebeten, um endlich zu erfahren, was genau mit meiner Mutter ist und was genau sie hat. 4 Tage lang bat ich vor Ort im Krankenhaus darum mir Details zu geben um ein Ärzt*innen-Gespräch – wie ihr Zustand ist, wies darauf hin, dass ich ab Donnerstag nur noch schwer bis gar nicht zu erreichen bin. Das meine Mutter auf keinen Fall an diesem Donnerstag-Freitag, an dem ich unterwegs bin entlassen werden kann. Gestürzt war sie. Meine Mutter selbst, 87 Jahre alt, gab mir wechselnde und nicht belastbare Selbstauskünfte über ihren Zustand.

Ich frage mich: Wie schaffen das andere, die 40 Stunden die Woche arbeiten, Fahrzeiten haben?

Warum schreibe ich das hier? Ich habe zwei Wochen hinter mir, die ich in einer Festanstellung nicht bewältigen können hätte. Das wäre nicht machbar gewesen. Klar mit Urlaub oder Gleitzeit vielleicht. Auch die Zeit, die nun auf mich zukommen wird, ist geprägt von Aufgaben und Unsicherheiten, bei der ich mir die Frage stelle, wie andere das schaffen. Zeitlich und emotional. Care-Arbeit, aber die extended Version. Wenig Schlaf, Rufbereitschaft. 


Ich gehöre zur Generation X, also eigentlich zu denen, die gerade beruflich nochmals alles geben, die Lücken fühlen. Sind ja schließlich auch noch ein paar Jahre hin bis zur Rente. Vor kurzem schrieb eine junge Frau aus meinem Netzwerk „Jetzt verlieren wir auch noch die Boomer-Generation bei den Bewerbungen 😱“ als sie unter anderem durch die Entscheidung von Vera Schneevoigt sich nun der Pflege ihrer Eltern zu widmen, einen Kommentar zu diesem Thema von mir las. Alle, sei es nun die Generation X oder die Boomer, wir haben gerade ein Thema: Was tun, wenn der Ernstfall eintritt und die Eltern sich (plötzlich) nicht mehr selbst versorgen können? Glaubt mir: mein Bekanntenkreis ist gerade voll von Schreckensbotschaften und hilflosen Versuchen hierfür (schnelle) Lösungen zu finden. Manchmal ist es aber auch einfach nur der Wunsch, mehr Zeit füreinander zu haben. Den Zeit ist für uns alle endlich. Auch die mit den eigenen Eltern.

Keine Situation in der Eltern-Care-Situation ist wie die andere

Die Flexibilität die Organisationen hier an den Tag legen müssten, übersteigt meiner Meinung bei weitem den organisatorischen Aufwand und die Planbarkeit, wie es bei Kindern (meistens) der Fall ist und selbst da ist so manches Unternehmen noch nicht sattelfest, wenn ich so in meiner Timeline über dies Lebensphase „Arbeiten mit Kind“ lese. Keine Situation in der Eltern-Care-Situation ist wie die andere. Von stundenweiser Betreuung bis „ich kann keine Sekunde aus dem Haus“ ist alles dabei. Ich hatte mal eine Kollegin, die musste immer wieder schnell los, da ihr an Alzheimer erkrankter Vater ausgebüxt war und orientierungslos durch die Großstadt irrte. Es gibt keine Blaupause für Eltern-Care-Arbeit. Keine. Es ist keine Geburt, bei der ich weiß, wann sie ungefähr stattfindet. Der Tod und die Krankheit bringen oftmals sehr viel Zeit mit, haben keine Eile.


Ich kenne nicht den aktuellen Stand in Unternehmen und wie sie Sorge dafür tragen, dass ihre Angestellten in ihrer Rolle als Töchter und Söhne an diesem Doppelstress nicht zerbrechen. Dieser Streß wird uns nämlich noch sehr lange begleiten. Denn wir die Boomer, bzw. Generation X sind viele. Habt ihr den Graphen der geburtenstarken Jahrgänge vor Augen? Diese riesige Welle rollt auf Unternehmen zu, nämlich in der Form, dass deren Kinder (eure aktuellen und zukünftigen Arbeitskräfte) sich in eben gleichem Aufwand in 2030 -2060 um uns dann alten Eltern kümmern wollen/müssen/sollen. Flexibel und auf den Bedarf individuell und schnell abgestimmt.


Vor allem dann, wenn der Personal-Schwund in den Pflegeberufen so weitergeht. Und im übrigen: ein guter Pflegedienst muss auch erst einmal gefunden werden. Ich befürchte: Wir haben hier dringend Handlungs- und Redebedarf.


Das Thema ist gerade (aus nachvollziehbaren Gründen) meins. Mit meinem letzten Arbeitgeber, der sich mit einfachem Homeoffice schwertat (keine Ahnung wie das jetzt Covid-bedingt dort läuft zwischenzeitlich), wäre das was ich für meine Mutter die letzten Wochen gemacht habe (und für meinen Vater vor 3 Jahren), nicht möglich gewesen. Ich selbst komme oft organisatorisch an meine Grenzen. Obwohl meine Eltern mit im Haus wohnen, ich keine Fahrzeiten habe und selbstorganisiert frei arbeite. Liebe Grüße gehen raus an meine Selbständigkeit. Ich liebe dich sehr.

Dauer-Liebeserklärung an meine Selbständigkeit. 

Unkalkulierbar der zeitliche Aufwand, um an Informationen jeglicher Art zu gelangen. Wie läuft das mit der Pflegestufe? Wie pflegt man überhaupt einen Menschen? Ich hangle mich so durch, von Ereignis zu Ereignis, von Thema zu Thema. Ein Telefonat hier, ein Gespräch dort. Termine. Im Blogbeitrag nach dem Tod meines Vaters schrieb ich „Ich mach was mit Medien und nicht mit Menschen“. Ich meine, da geht es neben der Betreuung der Seele und Liebe und Sorge für einen Menschen auch um Dinge wie Medikamenten-Plan, Hygiene, Spritzen, Dekubitus, etc.. Es fehlt die Schwangerschaftsvorbereitung und die Krabbelgruppe. Du stehst mit deinen Fragen ziemlich alleine da.


Mich interessiert hier heute vor allem der berufliche Kontext: Wie stellen sich Unternehmen dazu auf? Welche Optionen gibt es hierzu in Unternehmen und Selbständige? Selbständige müssen sowieso für alles und immer vorsorgen. I know. Keine Erwartungshaltung habe ich hier bezogen auf meine eigene Situation. Aber, haben Unternehmen das überhaupt auf dem Schirm? Was hilft mir als Angestellte*r die Freistellung für Pflegezeit, wenn ich in der Zeit kein Gehalt beziehe – wer macht das dann überhaupt? Bei Doppelverdienern doch wieder hauptsächlich die Frauen die eh weniger verdienen. Oder? Um dann in Zukunft noch weniger auf dem Rentenkonto zu haben?


Ich habe aber auch Fragen an die Gesellschaft. Wie wir leben, arbeiten und alt werden wollen. Wie wir das eine mit dem anderen eleganter verbinden können und ins Leben integrieren. Das Eltern und deren Besuchs- und Pflegezeiten ebenso Bestandteil der CV sind wie Kinder. Bei Männern und bei Frauen. Betreuungsangebote in Unternehmen? Für Kinder und Senioren?


Wenn du dieselben Fragen hast. Lass uns doch darüber sprechen und Lösungen finden. Als Diskussions-Grundlage und um dem Thema ein Stimme zu geben. Schreibt mir eure Gedanken dazu. Gerne öffne und moderiere ich dazu eine Gruppe. Sozusagen eine Rollator-Gruppe als Gegenangebot zur Krabbelgruppe. Hast du Bedarf? Dann melde dich.

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