Gestern war ich in der Metzgerei um die Ecke und habe gefragt, ob ich bitte kostenlos 50 Gramm von ihrer besten Haus-Salami haben könne, ich würde gerade einen Vergleich von den besten Haus-Salamis der Stadt machen. Die Frau Metzger schaute mich ungläubig an, da ich aber Stammkundin bin, schob sie mir irgendwann 50 Gramm Salami im Wert von 0,89 € wort- und fassungslos über den Tresen. Ich bedankte mich und ging. Beim nächsten Mal fragte ich dann, ob ich statt der 50 Gramm nicht doch bitte 150 Gramm haben könne, da ich mir nicht sicher wäre, ob die Salami nun auch wirklich die Beste wäre.
Und sie solle sich bitte nicht so anstellen, schließlich würden ja auch diverse Medien davon berichten, das ihre Salami die Beste wäre. Außerdem solle sie mir bitte doch noch eine Zutatenliste und die Zubereitungsart beilegen und mir sagen, was ihre Salami von all den anderen unterscheidet und warum diese so lecker schmeckt, die anderen Metzgereien hätten das auch gemacht. Und sie solle bitte verstehen, es geht ja um den GROßEN VERGLEICH, wer die beste Salami in diesem kleinen Kaff hat und so versteht sie sicherlich, dass ich auch für die 150 Gramm sowie all die anderen Informationen nicht bezahle.
Denkt ihr jetzt "ja spinnt die den?"? Willkommen in der Welt der Ausschreibungen und Pitchs.
Gibt es nicht denkst du jetzt? Gibt es schon! Wissensbeschaffung in Unternehmen 201X heißt: Laß und doch eine Ausschreibung machen! Yeaaa, wir sind so schlau! Und dann schauen wir mal, was so alles angeliefert wird. Wenn wir dann alle Informationen zusammen haben, vergeben wir unseren Auftrag an den ..... JAWOHL billigsten Anbieter - Yeaaa, wir sind so schlau ... oder an unsere Bestandsagentur (der wir auch mit der Ausschreibung gedroht haben), füllen unser Briefing aber um all die Informationen ab, die wir ... yeaaa, so bauernschlau abgegriffen haben. Und je toller meine Marke umso, hmmm ... glücklicher sei doch du als Agentur, wenn ich dich überhaupt in Betracht ziehe. Warum soll ich bitte DAFÜR bezahlen? Draußen stehen hunderte die für uns arbeiten wollen.
Ihr merkt schon. Ich bin kein Freund dieser Praxis. Kann man machen, aber meiner Meinung nur dann, wenn sie endlich als das gesehen werden, was sinnbringend für die Kunden ist: eine Sammlung an Ideen, Vor- und Ratschlägen in welche Richtung sich das Business der Kunden entwickeln könnte. Und vor allem, wenn diese Leistungen die Agenturen hier erbringen auch bezahlt werden. Ich meine damit nicht, ein erstes Kennenlernen oder einen ersten Ideenkatalog für den Kunden, dass läuft unter Akquise und geht auf's Haus. Ich meine damit wenn ich konkrete Briefings mit Fragestellungen erstelle und somit eine zu lösende Aufgabe bei der Agentur platziere. Also der Moment in dem die Agentur anfängt zu analysieren, konzipieren um dann Lösungen zu präsentieren.
Ich setze hier einfach einmal voraus, dass der Ausschreibende sich bereits vorher mit der Thematik auseinandergesetzt hat (oft sind es ja die hoch dotierten Marketing, Digital und Vertriebsmanager) und nur ein begrenztes Feld an Agenturen in die Auswahl einbezieht und zwar wenn sie die einfachen Faktoren
die Agentur kann von der Manpower das Projekt stemmen
hat das Know-How an Bord oder vernünftige Kooperationen
wurde mir empfohlen
passt zu meinem Unternehmen
erfüllt.
Die Wahrheit sieht leider oft anders aus: Ich schreib dann mal aus, futtere gierig meine Salami, habe nach wie vor keine Ahnung, vergebe meinen Auftrag aber an den Metzger, der mir die billigste Salami bietet. Und das hat mir der viel gepriesenen Salami-Taktik leider nun mal gar nichts zu tun. Salami-Taktik bedeutet: ich nähere mich Schritt für Schritt dem Erfolg.
Hier wie immer eine kleine bösartige Geschichte aus meiner Vergangenheit: Es ist vielleicht 7-8 Jahre her, da wurde ich mit meiner damaligen Agentur für einen Pitch angefragt, bei einem der führenden Telekommunikationsdienstleister in DE. Es ging um das Portal des Anbieters, alles in allem also eine große Sache. Wir hatten 4 Wochen Vorbereitungszeit. Zu viert bereiteten wir den Pitch vor. 4 Wochen lang.
Einfach mal kurz rechnen: 4 Wochen x 4 Personentage x 400,00 € (interner Tagessatz) und dann MAL 12. Soviele Agenturen waren nämlich eingeladen. Für die erste Runde. Zu dritt fuhren wir zum Kunden, nach einer durchgearbeiteten Nacht, mit einer dicken Präsentation im Gepäck.
384.000 €
Wir waren die 12. Agentur von 12 die präsentierte. Rund um den Tisch saßen ca. 15 - 20 Mitarbeiter des Unternehmens. Alle hatten ihre Blackberries vor sich, die sie auch während der Präsentation ausgiebig benutzten. Ich war kurz davor einfach den Raum zu verlassen - ging aber nicht. Schließlich trugen meine Kolleginnen und ich in diesem Moment die Verantwortung für unser Unternehmen, steckten wir doch, wie so viele anderen Agenturen zu dieser Zeit (es war 2008 oder 2009) tief in der Wirtschaftskrise.
Abschließend wurden wir in der Feedback-Runde mit einem herablassenden "da war jetzt nicht viel Neues dabei", entlassen. So, wenn sich jetzt jemand wiedererkennt, der hier mit am Tisch saß: Du darfst dich immer noch schämen dafür. Das wäre sehr OK für mich.
Danach sollten dann nur noch 3 Agenturen erneut pitchen (4 Mitarbeiter x 2,5 Wochen x 400 €). Die zweite Runde haben wir nicht erreicht und wir waren froh darüber, obwohl es für diese Runde eine Pitchgebühr von (weiß ich jetzt nicht mehr genau) 2.000 oder 3.000 Euro gegeben hätte.
Weitere 3 Wochen für eine 1/3 Chance zu investieren, wäre uns schlichtweg nicht möglich gewesen und hätte unsere Situation in dieser wirtschaftlich so schwierigen Zeit weiter erschwert. Wir konnten uns nun wieder auf andere Kunden und Themen konzentrieren.
60.000 € - 9.000 € = 51.000 €
Das Unternehmen hat bei diesem Pitch Wissen im Wert von
444.000 €
erworben. Wenn ich nun statt dem internen Tagessatz einen Agentur üblichen ansetze (und das ist nicht einmal der Tagessatz für strategische Beratung), stehen auf der Rechnung
888.000
kostenlose Inspiration und Beratung sowie kostenlose Auffrischung des Knowhows. Das ist jetzt eine überspitzte Milchmädchen-Rechnung, dass gebe ich gerne zu. Aber selbst wenn ich nur ein Achtel der Kosten in Betracht ziehen würde, ist es dennoch eine immense Summe (immer noch über 100.000 Euro).
Jetzt trifft das nicht nur Agenturen, sondern auch Blogger oder sonstige Aktivisten, deren Know-How doch gerne und oft angefragt wird, ohne das dafür eine Entlohnung in Aussicht gestellt wird. Nun gibt es in jeder Liga, egal ob Blogger, Aktivisten oder Agenturen, eine VON-BIS Range. Vor allem auch bei Bloggern wird sich der Markt demnächst konsolidieren und aufteilen. Manche Blogger verfügen zwar über eine große gewachsene Reichweite, jedoch sind sie inhaltlich nicht gerade der Burner . Finde ich dann dort auch noch schlecht platzierte Werbung, ist für mich die Motivation noch einmal dort zu lesen, eher gering. Ich bin gespannt, wie dieser Markt sich entwickelt. Aber hier vielleicht ein andermal mehr dazu, wenn ich mich mehr mit diesem Thema beschäftigt hab.
Warum schreibe ich hierüber? Immer wieder begegnen mir Kolleg:innen, die mir von "KOSTENLOS-Anfragen" berichten. Auch meine Erfahrungen aus Agentur-Zeiten sind hier noch sehr präsent. Unternehmen müssen endlich verstehen, dass vor dem Relaunch auch nach dem Relaunch ist und das Internet und alle digitalten Touchpoints die unterhalten werden, ständig durchdacht, aktualisiert und weiterentwickelt werden müssen. Ständig. Immer.
Wenn ihr dafür inhouse keine Ressourcen habt, dann holt euch das Know-how gerne von extern. In diesem Fall BEZAHLT aber bitte dafür, dass was es wert ist. Stellt euch einfach vor, ihr müsstet dieses Know-how auf Personal umlegen und diese einstellen. Da fällt es einem dann doch hoffentlich ganz schnell ganz leicht, entsprechende Budgets freizuschaufeln und den Know-How-Trägern als Entgelt zur Verfügung zu stellen.
Wer sich dem dauerhaft verwehrt, verfolgt garantiert keine sinnvolle Strategie. Im übrigen entstehen so auch keine nachhaltigen Bindungen, die dem Kunden auf Dauer einen wirklichen Nutzen bringen.
In diesem Sinne
es grüßt euch
Gabriele
댓글